Love and compassion are necessities, not luxuries. Without them, humanity cannot survive.
Oscar Wilde bemerkte einst, dass nichts den Feind so sehr verärgert, wie ihm zu verzeihen. Aus diesen Worten spricht vielleicht noch kein tiefes Mitgefühl, doch sie zeigen, dass man sich dem Thema durchaus pragmatisch und rational nähern kann – mit einer Art Kosten-Nutzen-Analyse.
Selbst der Dalai Lama macht keinen Hehl daraus, dass niemand so sehr von Mitgefühlspraxis profitiert wie diejenige, die sie ausübt. Ob und in welchem Maße unsere Praxis den anderen hilft, wissen wir nicht genau, aber was wir mit Sicherheit wissen ist, dass sie zu 100 Prozent uns selbst hilft.
Es gibt so etwas wie eine Logik des Mitgefühls. Eine Postkarte am Eingang eines Berliner Kinderladens, an dem ich einmal pro Woche vorbeikomme, erklärt sie so: „Liebe ist die einzige Sache, die nicht weniger wird, wenn man sie teilt.“
Gleichzeitig sind wir selbst aber auch diejenigen, die am meisten Schaden nehmen, wenn wir unser Herz verschließen und stattdessen Wut, Ärger und Hass in uns kultivieren.
Schon der historische Buddha verglich das „Anger Management“ seiner indischen Landsleute mit dem Festhalten an glühenden Kohlen.
Und Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela beschreibt die Dringlichkeit, sich von negativen Gefühlen loszusagen, sogar noch drastischer, indem er sie mit einem Gift vergleicht, das wir schlucken in der Hoffnung, damit unsere Feinde zu töten.
Ein Name, der eher selten mit Themen wie Mitgefühl und Empathie in Verbindung gebracht wird, ist der von Charles Darwin. „Survival of the fittest“, das klingt in der Tat nicht wie ein Zitat aus der Bodhicharyavatara. Und doch lag Darwin das Thema sehr am Herzen. In „The Descent of Man“, also der „Abstammung des Menschen”, etwa schreibt er:
„Communities, which included the greatest number of the most sympathetic members, would flourish best, and rear the greatest number of offspring.“
Es scheint, als hätte selbst die Natur ein Interesse daran, dass wir mitfühlend sind. Denn Mitgefühl ermöglicht Kooperation, und Kooperation sichert Überleben – wenn nicht unser eigenes, so doch wenigstens das unserer Gene.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich aus Darwins Erkenntnissen ganze Forschungszweige entwickelt, die versuchen, unser Denken und Fühlen von einem evolutionären Standpunkt aus zu erklären. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem empfehle ich zum Beispiel das Buch „Why Buddhism is True. The Science and Philosophy of Meditation and Enlightenment“ des evolutionären Psychologen Robert Wright.
Andere lesenswerte Bücher, die sich mit der wissenschaftlichen Erforschung von Meditation und Mitgefühlspraktiken auseinandersetzen, sind: „Love 2.0: Finding Happiness and Health in Moments of Connection“ von Barbara Fredrickson, einer Pionierin auf dem Gebiet der Positiven Psychologie, und „Altered Traits: Science Reveals How Meditation Changes Your Mind, Brain, and Body“ von Daniel Goleman und Richard Davidson, für das die beiden Autoren über 6.000 wissenschaftliche Studien zum Thema auswerteten.
Auch das noch nicht erschienene neue Buch von Christine Longaker „Self-Compassion: A Heroic Journey“ verdient bereits jetzt eine Empfehlung. Es verbindet die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Jahrzehnten praktischer Erfahrung im Umgang mit Sterbenden und der Praxis des Selbstmitgefühls („self compassion“).
Mehr als nur einen Vorgeschmack können die Teilnehmer*innen ihres Online-Seminars „Freude, Gelassenheit und Selbstvergebung – Entdecke die Kraft wahren Mitgefühls, um dein Leben leichter zu machen“ erhalten, das vom 08. bis 09. August stattfindet.
Christine Longaker selbst nennt Selbstmitgefühl „eine Reise zur Befreiung des Herzens“ und spricht von einem heroischen Akt. Es ist diese Art von Held*innen-Mut, den unsere fragile Welt heute mehr denn je benötigt.